Zürich, Zentralbibliothek, Ms. C 125
Handschriftentitel:
, Dialogus
Entstehungsort: Süddeutschland (Diözese Passau (?) oder süddeutsche Schreiber in Frankreich (?); siehe weiter unten unter "Provenienz der Handschrift").
Entstehungszeit: 13. Jahrhundert, erste Hälfte.
Frühere Signatur:
C 125 (rot) App. 47 (schwarz)
im Spiegel des Vorderdeckels
Johann Scheuchzer, Oberbibliothekar (1738-1815), führte nach der Versetzung der Stadtbibliotheksbestände vom mittleren in den oberen Boden der Wasserkirche in seinem vor 1794 erstellten Catalogus ManuScriptorum, Repositorii A-C und E (St 351-55) Doppelsignaturen ein: Rot für die Repositorien und Schwarz für die alten Signaturen aus dem Katalog von J. H. Waser (1663-1735), St. 377-378, in welchem ein Appendix die "in dem Kastlein auf dem undren Boden ohnweit der Haubt-Thüren" befindlichen Handschriften umfasst (St. 378, f. 760a-760g, hier 760f).
Johann Scheuchzer, Oberbibliothekar (1738-1815), führte nach der Versetzung der Stadtbibliotheksbestände vom mittleren in den oberen Boden der Wasserkirche in seinem vor 1794 erstellten Catalogus ManuScriptorum, Repositorii A-C und E (St 351-55) Doppelsignaturen ein: Rot für die Repositorien und Schwarz für die alten Signaturen aus dem Katalog von J. H. Waser (1663-1735), St. 377-378, in welchem ein Appendix die "in dem Kastlein auf dem undren Boden ohnweit der Haubt-Thüren" befindlichen Handschriften umfasst (St. 378, f. 760a-760g, hier 760f).
Beschreibstoff: Pergament. Das Material ist von mittlerer Qualität, jedoch gut bearbeitet. Es weist gelegentlich Löcher auf, die meistens genäht sind. Die Fäden wurden in der Regel nicht entfernt. Einige Blätter sind etwas kleiner oder haben dünne Ränder. Erstes und letztes Blatt sind beschmutzt.
Umfang:
88 Blätter.
Format: 19 x 13 cm.
Seitennummerierung: Foliierung in Tinte, modern, an der unteren äußeren Ecke der Recto-Seiten.
Lagenstruktur: Elf Quaterniones, ohne Ausnahme und ohne Besonderheiten. Keine Lagenzählung.
Zustand: Die Handschrift ist gut erhalten. Der Hinterdeckel ist in der Mitte gespalten, der Einband auf beiden Seiten des Buchrückens gerissen, so dass die gebrochenen Bünde zu sehen sind.
Seiteneinrichtung:
Schriftspiegel einspaltig, 14,5-15 x 9,5 cm, 26 Zeilen. Linierung in Tinte, Linien unter den Zeilen 1 und 3 (von oben und von unten) in der Regel bis zum Rand verlängert. Punktierung am äußeren Rand. Seitenränder: außen 2 cm, innen 1 cm, oben 1,5 cm, unten 2,5 cm.
Schrift und Hände: Textualis von mehreren Händen, die sich abwechseln.
Buchschmuck:
- Ein einfaches Dreiecksdiagramm zur Herleitung der Trinität aus dem Gottesnamen IEVE (sieh Dialogus, Titulus VI) auf fol. 48r. Das Diagramm kommt auf der Seite zweimal vor: einmal sehr klein am Bundsteg, ein zweites Mal größer am Fußsteg. Entsprechende Diagramme sind in den meisten Handschriften des Dialogus an dieser Stelle vorhanden. Die sonst in vielen Handschriften des Dialogus vorhandenen Darstellungen der Klimazonen bzw. der Sonnenbahn fehlen.
- Die Initialen der beiden Sprecher im Dialog (P<etrus> bzw. M<oyses>) sind rubriziert, einige Wörter (vor allem Eigennamen) mit rotem Strich hervorgehoben.
- Die Anfänge der einzelnen 'Tituli' des Dialogs tragen keine Titel- oder Incipit-Zeilen, werden aber oft durch einfache zweizeilig rubrizierte Lombarden ausgezeichnet. Die Nennung des ersten Sprechers in einem Titulus (immer Moyses) ist jeweils voll ausgeschrieben und entweder rubriziert oder mit roter Linie gehöht (so fols. 21v, 35r, 38r, 44v, 49r, 52r, 56r, 74r). Auf fol. 3v ist ausnahmsweise nur M mit roter Tinte ausgezeichnet. Der erste Sprechername im Titulus steht in der Regel am Ende der vorangehenden Zeile, außer auf fols. 21v und 66v (und ursprünglich wohl auch 31v, jetzt ausradiert), wo er am Ende derselben Zeile wie der Titulusanfang zu finden ist. Der Name des ersten Sprechers im Titulus auf fol. 78r fehlt.
- Eine spätere Hand hat eine neue Einteilung in Tituli vorgenommen und diese in der Handschrift durch Auszeichnung kenntlich gemacht. Dieselbe Hand schreibt möglicherweise auch die Besitzeinträge fol. 2r (rubriziert) und fol. 88r (in schwarzer Tinte, der erste Buchstabe jedes Wortes rubriziert). Weiteres dazu unter "Spätere Ergänzungen und Korrekturen".
- Gelegentlich kommen Zeilenfüllsel in roter Tinte vor. Drei Aussagen zur Dreifaltigkeit werden mit einem kleinen roten Kreuz über der Zeile markiert (Deus unus est in pluribus personis, fols. 46v und 47r; Deus unus est et plures persone, fol. 47v).
Spätere Ergänzungen:
- Es gibt einige Marginalien, die von einer oder mehreren späteren Händen (Ende 13. Jahrhunderts) stammen, so fol. 38r auf Seitensteg, rot: Sectam istam habent Bessermeni, Bolgari, Saraceni. Perlege; auf dem Fußsteg in schwarzer Tinte: Isti non utuntur campanis sed erectis scalis ualde / altis aput oratoria sua ascendunt sacerdotes / maxime quinquies in die clamant Christum abrenuntiando; fol. 40v auf dem Kopfsteg: bismillo erachman erahym bachmatthi alcoranus; fol. 56r, am Rand in brauner Tinte, Notabile quiddam. In einigen Fällen (immer in der Nähe der Initialen) sind Korrekturen in roter Tinte vorhanden: fol. 31v effuge in effugere, fol. 40v atis in satis.
- Ebenfalls eine spätere Hand hat den Beginn der Tituli marginal mit einem Kreuz und der betreffenden Ordnungszahl (in einem Kreis) am Fußsteg in roter Tinte gekennzeichnet. Diese Tituli-Einteilung weicht allerdings von der ursprünglichen ab: Sie markiert den Beginn eines Titulus zum Teil mit einzeiliger roter oder rubrizierter Lombarde, die manchmal in die Mitte der Zeile eingefügt wird (so fols. 2r, 8v, 16r, 29r, 40v, 58v, 80v). In anderen Fällen fügt sie der bereits bestehenden Markierung nur marginal das Kreuz und unten die Ordnungszahl zu (fols. 21v, 35r, 49r, 66v, 74r). Einige der ursprünglichen zweizeiligen Lombarden, die dieser zweite Rubrikator nicht als Beginn von Tituli verstanden haben wollte, lässt er stehen. Andere tilgt er und ersetzt sie durch einzeilige, rubrizierte Lombarden (fol. 31v, 52r). Vielleicht von derselben Hand sind auch die Besitzeinträge auf fol. 2r und fol. 88r und die Einträge auf fol. 88v.
- Weitere spätere Besitzeinträge im Spiegel des Vorderdeckels (dazu weiter unten, unter "Provenienz der Handschrift").
Einband:
- Spätgotischer dunkelbrauner Holzdeckelband mit Lederbezug. Verzierung durch Streicheisen und Einzelstempel: ein Rechteck mit Streifenrahmen, das Mittelfeld rautenförmig geteilt, mittig oberhalb des Rahmens (gut lesbar auf dem Hinter -, schwach auf dem Vorderdeckel) Schriftstempel Ave, im Rahmen und in den Rauten Lilienstempel. Verlorengegangen und nur durch Anbringungsspuren gesichert sind ein auf dem Vorderdeckel aufgenageltes Titelschild, vorne und hinten je vier Buckel, nach vorn greifende Riemenschließen samt Schließenbeschlägen und auf dem Hinterdeckel angebrachte dreieckige Halterung für die Ankettung. Beide Spiegelblätter in Pergament, vorne ursprünglich ohne Schrift, mit späteren Einträgen, hinten unter Wiederverwendung einer liturgischen Handschrift in Textualis formata, mit Hufnagelnotation auf vier Zeilen (14. Jahrhundert). Auf Vorder - und Hinterdeckel Wappenstempel der Zürcher Stadtbibliothek (nach 1835).
- Diese Art Bindung und insbesondere die seltene dreieckige Kettenbefestigung und das aufgenagelte Titlelschild sind charakteristisch für die Einbände des ersten Viertels des 16. Jahrhunderts aus der ehemaligen Bibliothek des Dominikanerkonvents zu Soest. (Siehe dazu Bernd Michael, Die mittelalterlichen Handschriften der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek Soest, Wiesbaden 1990, Codd. 4, 6, 28 und 29.)
Inhaltsangabe:
Provenienz der Handschrift:
- Dieser Codex ist wohl mit dem Text des Passauer Domherr Albert Behaim (1180-1260) vor 1250 in einem (wahrscheinlich eigenhändig geschriebenen) Bücherverzeichnis auflistete: item Eusebius qui et liber regnorum. item ystoria Britonum. Item in iam dicto libro regnorum sunt alii libelli minuti id est Petrus Alfonsi et alii libelli (München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 2547b, ediert bei Schmeller, S. 359-260, Ineichen-Eder, S. 35-37, Frenz u. Herder, S. 250-253, zum autographen Charakter des Eintrags ebda. 43-44, zur Datierung ebda. S. 11). Dieses Bücherverzeichnis findet sich im Brief- und Memorialbuch Alberts (heute München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 2547b), das nach seinem Tod ins Zisterzienserkloster Aldersbach (Diözese Passau, Bayern) kam. Behaim dürfte den Dialogus des auf seinen Frankreich-Reisen kennen gelernt haben, möglicherweise hat er den Text sogar vor Ort in Frankreich von seinen süddeutschen Begleitern abschreiben lassen. zu identifizieren, den der
- In Aldersbach befand sich gegen Ende des 13. Jahrhunderts auch unser Codex C 125, wie dies zwei Besitzvermerke bezeugen: fol. 2r, am inneren Seitenrand in roter Tinte, ausradiert, in der Rasur ist noch zu erkennen Liber ----------------------- A----sbach, am Ende ein Kreuz; fol. 88r, Liber beatissime Marie uirginis in .... h / seruanti benedictio tollenti maledictio Amen (der erste Buchstabe jedes Wortes rubriziert).
- Um 1400 war die Handschrift im Besitz des Dominikaners Johannes von Orsna. Der Besitzeintrag in jüngerer gotischer Kursive (Ende des 14. oder Anfang des 15. Jh.s) auf der Innenseite des vorderen Einbanddeckels lautet: Memoriale fratris Jo. de Orsna, orate pro eo. Ein Johannes de Orsna war Lektor (1379-80) und Prior (1399) des Dominikanerkonvents in Soest (Westfalen). 1407 ist er an der Universität Erfurt bezeugt. Von ihm sind mehrere Predigten erhalten (vgl. Bünger, S. 31, Anm. 2, Eickermann, S. 27, Kaeppeli, Bd. 2, S. 516-517). Einige Handschriften aus dem Soester Konvent mit seinem Besitzvermerk befanden sich in der Universitätsbibliothek Münster (vgl. Bünger, S. 31), sie sind aber im Krieg verschollen. Die Identifizierung wird durch die Art des Einbands erhärtet: Einen sehr ähnlichen Einband weist zum Beispiel die Handschrift Soest, Stadtbibliothek, Cod. 12 auf, die aus dem Dominikanerkloster stammt und Ende des 14. Jahrhunderts entstanden ist. Wie der heutige Codex C 125 in den Besitz des Johannes von Orsna kam, ist unbekannt. Es ist allerdings belegt, dass die Zisterze Aldersbach um diese Zeit, namentlich während der Regierung von Abt Heinrich IV. (1398-1408), wegen finanzieller Nöte gezwungen war, Bücher zu veräußern (vgl. Ineichen-Eder, S. 7).
- Um die Mitte des 17. Jahrhunderts war der Codex im Besitz von Bernhard Rottendorf aus Münster, wie aus dem etwas spätern Schenkungseintrag ebenfalls auf der Innenseite des vorderen Einbanddeckels zu entnehmen ist: Codicem hunc mihi quondam a celeberrimo Rottendorpio Monasterii Westph. exhibitum dono dat publicis usibus consecrandum venerando compatri theologo famigeratissimo D. D. J. H. Hottingero J. H. Heideggerus.
- Der Münsteraner Stadtarzt Bernhard Rottendorf (ca. 1595/1600-1685/6), später Leibarzt des Kölner Kurfürsten und zweier Münsteraner Bischöfe, war ein bekannter Handschriftensammler, der auf seinen ausgedehnten Reisen in Deutschland viele Codices erwarb (vgl. Lehmann ). In einem Brief an den Hamburger Philologen Johann Friedrich Gronovius (1611-1671) vom 3. Juni 1651 listete er 93 Handschriften auf, die er kürzlich erworben hatte; darunter findet sich der Eintrag Opera Petri Alphunsi (vgl. Lehmann, S. 116), der sich auf den heutigen Codex C 125 beziehen dürfte. Er sagt nicht, wo er die Handschrift erworben hat, doch dass sie in seine Privatbibliothek aus dem nahen Soest kommt, ist wahrscheinlich.
- Bald darauf gelangte die Handschrift, wie demselben Eintrag zu entnehmen ist, in den Besitz des Zürcher Theologen und Orientalisten Johann Heinrich Heidegger (1633-1698, vgl. Dellsperger), der 1659-1665 Professor in Steinfurt (Westfalen) war und in dieser Zeit wohl die Handschrift von Rottendorf erworben und sie Johann Heinrich Hottinger (1620-1667, vgl. Bächtold ) für den allgemeinen Gebrauch übergeben hat. Die Handschrift kam in die Bibliothek des Zürcher Carolinums aber erst 1698 als Schenkung des Sohns Hottingers, Johann Jakob (1652-1735), wie folgender Widmungseintrag (ebenfalls auf der Innenseite des vorderen Einbanddeckels) bezeugt: Istunc codicem ex privata in publicam Bibliothecam transfert adeoque communibus usibus et aeternitati consecrat J. H. Hottingeri filius, J. H. Heideggeri discipulus, utriusque in Professione Theologica successor Joh. Jacobus. Hottingerus. (Am Rand:) Tig. d. 22. IXbr. 1698.
- Der entsprechende Eintrag dazu findet sich im Donationenbuch der ehemaligen, 1629 gegründeten Stadtbibliothek in der Zentralbibliothek Zürich, Arch. St. 22, S. 332: Hanß Jacob Hottinger / Chorherr und Professor s. Theologiae / verehrt Ao 1698 / Sein Helvetische Kirchen Histori in 4o, 1. Theil / Einen Codicem Membranaceum Latinum Mscr. / Deßen author Petrus Alphonsi Ein getaufter Jud A°1106.
Bibliographie:
- Hans Ulrich Bächtold, Artikel Hottinger, Johann Jakob, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 16.11.2006, URL: www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D10680.php
- Fritz Bünger, Beiträge zur Geschichte der Provinzialkapitel und Provinziale des Dominikanerordens (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland 14), Leipzig 1919.
- Rudolf Dellsperger, Artikel Heidegger, Johann Heinrich, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 09.12.2009, URL: www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D10459.php
- Norbert Eickermann, Miscellanea Susatensia 2. Zur Geschichte der Soester Dominikanerbibliothek, Soester Zeitschrift 86 (1974), 23-45.
- Thomas Frenz, Peter Herde, Das Brief- und Memorialbuch des Albert Behaim (MGH Briefe des späteren Mittelalters 1), München 2000.
- Christine Elisabeth Ineichen-Eder, Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Vierter Band. Erster Teil. Bistümer Passau und Regensburg, München 1977, S. 3-16.
- Thomas Kaeppeli, Emilio Panella, Scriptores ordinis Praedicatorum Medii Aevi, 4 Bde., Roma 1970-1993.
- Paul Lehmann, Aus dem Leben, dem Briefwechsel und der Büchersammlung eines Helfers der Philologen, in: Ders., Erforschung des Mittelalters Bd. 4, Stuttgart 1961, S. 107-127 (zuerst erschienen in: Archiv für Kulturgeschichte 28 (1938), S. 163-190).
- Klaus-Peter Mieth: Der Dialog des Petrus Alfonsi. Seine Überlieferung im Druck und in den Handschriften. Textedition. Diss. Freie Universität Berlin 1982, besonders S. XXXV.
- Leo Cunibert Mohlberg, Katalog der Handschriften der Zentralbibliothek Zürich. I. Mittelalterliche Handschriften, Zürich 1951, S. 60f und 362.
- Klaus Reinhardt, Horacio Santiago Otero: Pedro Alfonso. Obras y bibliografía, in: Lacarra, María Jesús (ed.), Estudios sobre Pedro Alfonso de Huesca (Colección de Estudios Altoaragoneses 41), Huesca 1996, S. 19-44.
- Andreas Schmeller, Über Bücherkataloge des XV. und früherer Jahrhunderte, Serapeum 2 (1841), 241-254, 257-271 und 283-287, hier 259-260.
- John Tolan, Petrus Alfonsi and His Medieval Readers, Gainesville (Florida) 1993, S. 198.
- Rosmarie Zeller, Artikel Hottinger, Johann Heinrich, Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 05.04.2006, URL: www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D10460.php