Bern, Burgerbibliothek, Cod. 366
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Redigiert von Michael I. Allen und Florian Mittenhuber, Juli 2015/März 2016.

Handschriftentitel: Valerius Maximus: Facta et dicta memorabilia, cum exemplis e Iulio Paride et fragmentis.
Entstehungsort: Frankreich (mittleres Loire-Gebiet): Abtei Ferrières OSB (Bischoff 1998, Schnetz 1901, u.a.); vermutet wurde auch Fleury (Traube, u.a.), jedoch ohne stichhaltige Begründung.
Entstehungszeit: 2. Drittel 9. Jh. (Bischoff 1998, Munk Olsen 2003).
Beschreibstoff: Schönes Pergament, bisweilen unregelmässig beschnitten (alt).
Umfang: 161 Blatt (ohne die neueren Vorsatz- und Nachsatzblätter; f. II-III gefaltet aus einem frühen Einzelblatt).
Format: 22,5–23,5 x 20,5–21 cm
Seitennummerierung: Moderne Foliierung: I–III, 1–159, IV, jeweils auf dem recto oben rechts.
Lagenstruktur: (IV+3) I, II–III, 8 [das alte Vorsatzblatt I ist um die erste Lage gelegt, die rechte Hälfte ist weggeschnitten; das kleine Fragment des sehr stark verstümmelten Doppelblattes IIIII ist vor f. 1 eingeheftet] + 18 IV152 + (IV-1+1)159, IV [nach f. 158 ist die rechte Hälfte des zweitäussersten Doppelblattes weggeschnitten; von f. 159 fehlen die äusseren zwei Drittel; das alte Nachsatzblatt IV ist um die letzte Lage gelegt, die linke Hälfte ist weggeschnitten]. Lagensignaturen: Mit Tinte signiert ist nur die dritte Lage (Kustode III, f. 24v unten); die weiteren Lagen sind, oft kaum erkennbar, mit einem harten Gegenstand blind signiert (IIII–XVIII [f. 144v]). – Die Doppelblätter 75/78 und 74/79 sind nach dem Restaurieren in dieser Reihenfolge vertauscht eingebunden worden.
Zustand: Restauriert um 1990 mit grossflächigen Papieranfaserungen auf f. IIIII, 132, 150159. Schwere Feuchtigkeitsschäden in den ersten und letzten Lagen: unterer Blattrand oft defekt, mit wenig Textverlust auf f. 2, grössere Verluste auf f. 150158 (am Schluss fehlt mehr als die Hälfte des Blattes); von einem, wohl vom Schluss des Codex stammenden Einzelblatt ist nur die innere obere Ecke jetzt gefaltet als f. IIIII (der Inhalt läuft f. IIv, IIIr, IIIv, IIr) erhalten.
Seiteneinrichtung: Zweispaltig, Schriftspiegel 14–14,5 x 13,5–14 (5,5–6) cm, 24 Zeilen, Blindlinierung im „old style“. Die Anlage des Codex erinnert an Lupus’ eigenhändig geschriebenes Exemplar von Ciceros De oratore (London, British Library, Harley 2736). Dem Anschein nach wurde f. 159r ursprünglich dreispaltig konzipiert. (Die seltene dreispaltige Anlage erinnert an die von Lupus’ Schüler Heiric von Auxerre in Ferrières beschrifteten Zusätze am Ende des Priscianus-Codex, Paris, BnF, lat. 7496, f. 246v, 249r–v.)
Schrift und Hände:
  • Schrift: Karolingische Minuskel; Titel und Überschriften in Rustica, gelegentlich in Unziale (z.B. f. 51rb, 54rb), Initialen verschiedentlich in Inschriftencapitalis; einige griechische Texte eingesprengt (z.B. f. 50rbva). – Zahlreiche gleichzeitige oder wenig spätere Leserbemerkungen, Glossen und Nota-Zeichen von verschiedenen Händen aus dem 9., 10. (viele) und 11.–13. Jahrhundert.
  • Der Haupttext des Valerius Maximus wurde von einem kompetenten Schreiber zum allergrössten Teil ausgeführt, doch arbeitete er vom Anfang an zusammen mit Lupus von Ferrières, der Auszeichnungs- und Gliederungstexte als erster Schreiber (z.B., f. 18rb, 158rb) sowie als Korrektor (auf oft fast unbemerkbaren Rasuren, z.B. f. 1ra) angebracht hat. Die Auszeichnungsschrift des Hauptschreibers, wie seine sonstige Leistung, ist indes sehr gepflegt; besondere ästhetische oder inhaltliche Kriterien (auch klare Gliederung) dürften eine Rolle gespielt haben, wo Lupus nachgebessert hat. Lupus hat den Haupttext inhaltlich ausgebessert, indem er Auslassungen am Rand durch seine üblichen Verweiszeichen angefügt und auch längere Textabschnitte auf sehr sauberen Rasuren neu geschrieben hat (bis hin zu einer ganzen Spalte, f. 123ra). Hier wie sonst für Lupus ist bezeichnend, dass er keine beliebigen Eingriffe in den Text gemacht hat, sondern sich nur an herangezogene Parallalexemplare hielt (mit Ausnahme von Lesevorschlägen, die wiederholt mit vel oder fortasse, als f., angefügt sind). Er bezeichnete diese Quellen als vetustus (u.) und antiquus (A.), wo es um ein Exemplar, oder vielleicht mehr als ein Exemplar, des Valerius Maximus im engeren Sinne ging. Er hat auch eine Abkürzung dieses Textes durch Iulius Paris sowie ein diese Epitoma begleitendes grammatisches Werkchen von C. Titius Probus herangezogen. Diese Quellen verwertete Lupus für seine Korrektur und gab sie auch explizit durch verschiedene Kürzel an: BR (breviator), ADB (adbreviator), I.P., C.T., C. Titus t(itulo ?). Die Bedeutung einiger als Quellenkürzel erscheinenden Initialen (z.B. m., g.) ist allerdings nicht klar. Lupus hat auch eigenhändig Auszüge bzw. den Volltext von Elementen der Iulius Paris-Überlieferung seinem Text von Valerius Maximus anbringen wollen und erscheint so als Textschreiber bei f. IIIII, 158v159r. Die Hand und Tätigkeit des Lupus darf in diesen Fällen als gesichert gelten. Wir erkennen die Schrift wieder in zwei von ihm unterschriebenen und im Original erhaltenen Synodalurkunden von 861 und 862. Die Methode des Umgangs mit dem Text und Quellen darf als wissenschaftlich bezeichnet werden und übersteigt den von C. H. Beeson (1930) beschriebenen Befund in Lupus’ Codex von Ciceros De oratore (London, Harley, 2736). Einen Überblick der paläographischen Merkmale findet man auch bei Steffens (1909), Taf. 60, und Bischoff (1998), S. 125 (Nr. 586).
Buchschmuck: Nicht rubriziert, gegliedert und geschmückt nur mittels Schriften. Es gibt verschnörkelte Kürzungsstriche bei den von Lupus geschriebenen (oder neu geschriebenen) Auszeichnungstexten (in Rustica). Diese Art von verschnörkelten Strichen bildet die Basis einer diskreten Ausschmückung anderswo in auch paläographisch verwandten Handschriften (z.B., BAV, Vat. lat. 4929, auch mit Iulius Paris; El Escorial M.III.14 und O.III.31). Eine Art Perlenkettchen wird von Lupus selber angewendet, um die von ihm geschriebenen Textabschnitte zu gliedern (f. 158rb, sehr beschädigt am unteren Rand; f. 159r); ähnliches findet man auch anderswo (z.B., BAV, Vat. lat. 4929).
Spätere Ergänzungen: f. 1r Schwarzer Rundstempel Bibliotheca Bernensis, 27 mm (um 1700), in der linken Spalte auf dem Text; oben rechts Bibliothekssignatur Ms. 366.
Einband:
  • Moderner Restaurierungseinband (um 1990): weisses Leder auf Pappdeckel (25 x 21,5 cm), Spiegel mit Pergament überzogen, je Deckel zwei Leinenstreifen zum Binden. Buchblock auf 3 Bünde geheftet, Rückenüberklebung, keine Kapitalen. Kein Rückentitel, unten modernes Signaturschild Cod. 366. Je 1 altes (wohl 15./16. Jh.) Vorsatz- und Nachsatzblatt aus Pergament (f. I und IV – letzteres im Digitalisat noch mit II bezeichnet), mit Notizen von P. Daniels Hand (?); keine neuen Vorsatz- und Nachsatzblätter.
  • Vorgängereinband (16./17. Jh.): Weicher Umschlag aus hellem Pergament (Höhe 24,5 cm) mit umgelegten Kanten und je 2 Lederbändeln zum Binden (Löcher sichtbar). Buchblock ursprünglich auf 4 doppelte Lederbünde geheftet; schnurumstochene Kapitalen (Bünde und Schnüre in separatem Couvert aufbewahrt). Rückentitel Valerius Maximus (von der Hand M. Wilds?); unten modernes Signaturschild Cod. 366, darunter M[ss. Li]tt sichtbar; auf der Vorderseite weiterer Titel Val. Max. (von der Hand S. Hortins?).
Inhaltsangabe:
  • 1. Valerius Maximus: Facta et dicta memorabilia, cum exemplis e Iulio Paride et fragmentis.
    • Editionen (Auswahl):
      • Shackleton Bailey, David R.: Valerius Maximus. Memorable doings and sayings. 2 Bde. Cambridge (Mass.) 2000.
      • Briscoe, John: Valeri Maximi facta et dicta memorabilia. 2 Bde. Stuttgart/Leipzig 1998.
      • Kempf, Karl: Valerii Maximi Factorum et dictorum memorabilium libri novem, cum Iulii Paridis et Ianuarii Nepotiani epitomis. Leipzig 1888 [ND Stuttgart 1982].
      • Madden, Frederic W.: Remarks on a Fragment of a MS. of Valerius Maximus in the Public Library at Berne, containing a portion of the Text supplied from the Epitome of Julius Paris, in: Transactions of the Royal Society of Literature of the United Kingdom. 2nd Series, vol. 8 (1866), S. 155–164.
    • (IIrIIIv) Exempla aus Iulius Paris (Fragmente) und Notiz des Lupus über die Bearbeitung des Textes.
      • (IIv) Notiz des Lupus. In adbreviatore, qui et vetustus erat, quaedam reperta sunt, quae quoniam nostro deerant, necessario supplevi. (Das Adverbium et legt ausdrücklich nahe, dass Lupus sonst einen sehr alten Codex, oder mehr als nur einen, zum Vergleich herangezogen hat; vgl. Lupus, ep. 69: trade [scil. codicem], ut ex eo quae deesse illi [scil. Ciceroni] Egil noster aperuit suppleantur.)
        Briscoe (1998), S. XIV; Schnetz (1901), S. 6; Madden (1866), S. 161–162.
      • (IIv) ad Val. Max. 1,1,ext.4–7. Timasitheus Liparensis Delphos perferendam. Milesia Ceres Athenienses Protagoram phi[losophum] pepulerunt
        Briscoe (1998), S. 646 (Timasitheus), 24; Kempf (1888), S. 476–477 (Timasitheus), 13; Madden (1866), S. 161–162.
      • (IIIr) ad Val. Max. 1,1,ext.8 – 1,2,1.Diomedon unus De simulat[a religione]. Numa Pompil[ius vo]lebat
        Briscoe (1998), S. 26; Kempf (1888), S. 14–15; Madden (1866), S. 163.
      • (IIIv) ad Val. Max. 1,2,3 – 1,2,ext.2.[p]romissa maturaret ferebat tra[ditas leges perrog]abat. tyrannide [quam amiserat simulatione r]edu[centis]
        Briscoe (1998), S. 27–28; Kempf (1888), S. 15–16; Madden (1866), S. 163.
      • (IIr) ad Val. Max. 1,3,2–4.sortes Fortunae Praenestinae adire [do]mos suas coegit cum senat[us]
        Briscoe (1998), S. 29–31; Kempf (1888), S. 17; Madden (1866), S. 163–164.
    • (1ra158rb) Valerius Maximus: Facta et dicta memorabilia.
      • (1ra2ra) Capitulatio. Incipiunt capitula librorum Valerii Max[imi] factorum et dictorum m[emorabilium]. Liber primus. I. De religione …–… [liber] VIIII LXXXII. De his qui infimo loco nati mendacio se clarissimis familiis inserere conati sunt.
        Briscoe (1998), S. 1–6; Kempf (1888), S. XXXIII–XXXIV.
      • (2ra18rb) Liber I. Valeri Maximi factorum et dictorum memorabilium liber primus incipit. Urbis Romae exterarum gentium facta simul ac dicta memoratu digna …–… centum et viginti pedum in urbem missum. Valeri Maximi factorum et dictorum memorabilium liber primus explicit.
        Shackleton Bailey (2000), Bd. 1, S. 12–127; Briscoe (1998), S. 7–84; Kempf (1888), S. 3–57.
      • (18rb36ra) Liber II. Incipit liber secundus feliciter. I. De institutis antiquis … (18va) Dives et praepotens naturae regnum scrutatus iniciam stilum …–… sinceritati eius concedendum existimarunt. Explicit liber secundus.
        Shackleton Bailey (2000), Bd. 1, S. 128–229; Briscoe (1998), S. 85–151; Kempf (1888), S. 57–108.
      • (36ra54rb) Liber III. Incipit tertius. I. De indole (36rb) Adtingam quasi cunabula quaedam et elementa virtutis …–… qui incolumitatis eius praesidium falso interpellari indicio noluerunt. Valeri Maximi explicit liber III.
        Shackleton Bailey (2000), Bd. 1, S. 230–335; Briscoe (1998), S. 152–222; Kempf (1888), S. 108–162.
      • (54rb73ra) Liber IV. Incipit liber IIII. (54va) Transgrediar ad saluberrimam partem animi …–… aliquanto existimes illam inpensam quam hanc custodiam. Valeri Maxi[mi] factorum et dictorum memorabilium liber IIII explicit.
        Shackleton Bailey (2000), Bd. 1, S. 336–437; Briscoe (1998), S. 223–291; Kempf (1888), S. 162–214.
      • (73ra92vb) Liber V. Incipit liber V. I. De humanitate aut clementia (73rb) De humanitate aut clementia. Liberalitati quas aptiores comites quam humanitatem et clementiam dederim …–… ita ne vivere aliquem quidem posse qui non sit moriturus. Valeri Maximi liber V explicit.
        Shackleton Bailey (2000), Bd. 1, S. 438–547; Briscoe (1998), S. 292–368; Kempf (1888), S. 215–270.
      • (92vb110ra) Liber VI. Incipit VI feliciter. De pudicitia. Unde te virorum pariter ac feminarum praecipuum firmamentum …–… ut inflictorum malorum amaritudine desiderium sui duplicent. Valeri Maximi liber VI explicit.
        Shackleton Bailey (2000), Bd. 2, S. 2–101; Briscoe (1998), S. 369–434; Kempf (1888), S. 270–320.
      • (110rb125ra) Liber VII. Incipit liber VII. I. De felicitate De felicitate. Volubilis fortunae complura exempla retulimus …–… et spiritu supremos anhelitus reddente scurrili lusu suggillanda sibi desumpsit. Valeri Maximi liber VII explicit.
        Shackleton Bailey (2000), Bd. 2, S. 102–187; Briscoe (1998), S. 435–494; Kempf (1888), S. 320–366.
      • (125ra141va) Liber VIII. Incipit liber VIII. I. Infames rei (125rb) Infames rei quibus de causis absoluti aut damnati sint. Nunc, quoque aequiore animo ancipites iudiciorum motus tolerentur …–… fratribus eandem palmam adsecutis latera eius cingentibus. Valeri Maximi liber VIII explicit.
        Shackleton Bailey (2000), Bd. 2, S. 188–291; Briscoe (1998), S. 495–565; Kempf (1888), S. 366–419.
      • (141va158rb) Liber IX. Incipit liber VIIII. I. De luxuria et libidine (141vb) De luxuria et libidine. Blandum etiam malum luxuria, quam accusare aliquanto facilius est …–… imperio dementer inminens iusto inpendere supplicio coegit. Valeri Maximi factorum et dictorum [me]morabilium [libe]r nonus explicit.
        Shackleton Bailey (2000), Bd. 2, S. 292–397; Briscoe (1998), S. 566–637; Kempf (1888), S. 419–472.
    • (158va159r) Gaius Titius Probus: De praenominibus [unvollständig, hier von Lupus hinzugefügt als ob ein zu ergänzender Bestandteil des Valerius Maximus].
      • (158va–b) Fragmentum de praenominibus 1–2. Liber X. De Praenomine. Varro simplicia in Italia fuisse nomina ait …–… quorum series non ita [ut ex]posui semper servata est; [animadverto e]nim in consulum [fastis perplexum usum] praenominum [et cognominum fuisse.] di[ctum]
      • [nach f. 158 fehlt ein Blatt]
      • (159r) Fragmentum de praenominibus 7.ferunt enim Gaiam Caeciliam, Tarquinii Prisci regis uxorem …–… quaenam vocarentur, Gaias esse se dicerent.
      • (159r) Spätantike subscriptio. Feliciter emendavi descriptum Rabennae Rusticius Helpidius Domnulus u.c. (darunter, von einer Hand des 13. Jh.: duo homines).
      • (159r) (Missverstandene) Autorenangabe. Titulus adbreviatoris. C. Titi Probi finit epitoma historiarum diversarum exemplorum Romanorum.
        Briscoe (1998), S. 794–795, 798–799; Schnetz (1901), S. 6 (Schreibernotiz); Kempf (1888), S. 587–588, 591.
    • (159v) Notiz (9./10. Jh.). Der geschriebene Raum entspricht hier der Beschriftung der “ersten” Spalte (nach der vermuteten Anlage in drei Spalten) der Vorderseite und beinhaltet 15 nicht der Linierung entsprechende Zeilen (anscheinend noch vollständig, obwohl abgerieben und nur z.T. entzifferbar). Die angebrachte Notiz könnte also nach der Abschneidung eines möglichen Leerraumes auf der Vorderseite entstanden sein und würde sich so mit dem noch bestehenden Teil der Vorderseite eng decken. Da die Schrift hier nicht wesentlich jünger als die des Haupttextes sein kann, muss die Verstümmelung des Blattes früh stattgefunden haben. Der Text fängt brief- oder urkundenartig mit einem großen φ-förmigen Zeichen an. Z. 6 scheint einen Personennamen fred(e)r… aufzuweisen, die nächste Zeile beinhaltet deutlich die Worte … tertium donavi. Ago / (…). Es könnte um einen Ausleih- oder Tauschvermerk gehen.
    Bemerkungen zum Inhalt: Der Berner Codex, mit Sigle A, ist eine der ältesten und berühmtesten überlieferten Texthandschriften des Valerius Maximus. Die Exempla sowie die Notiz auf den alten „Vorsatzblättern“ (f. IIIII, wahrscheinlich Reste vom Ende des ursprünglichen Codex) sind von Lupus geschrieben, der auch den Haupttext mehrfach kollationiert hat und Zusätze (f. 158va159r) aus der Paralleltradition des Iulius Paris (adbreviator von Valerius Maximus) und dessen Begleittext (Gaius Titius Probus, De praenominibus) am Ende hinzugefügt hat. (s. oben Schrift und Hände). – Einige Textlücken wegen defekter Blätter (s. oben Zustand).
    Weitere Literatur (Auswahl):
    • Beeson, Charles Henry: Lupus of Ferrières as scribe and text critic. Cambridge (Mass.) 1930.
    • Billanovich, Giuseppe: Dall’antica Ravenna alle biblioteche umanistiche, in: Annuario per l’anno accademico dell’Università cattolica del S. Cuore (1955–56/1956–57), S. 73–107, hier S. 74–77.
    • Bischoff, Bernhard: Paläographie und frühmittelalterliche Klassikerüberlieferung, in: La cultura antica nell'occidente latino. Spoleto 1975, S. 59–86 [Nachdruck in: Mittelalterliche Studien. Bd. 3. Stuttgart 1981, S. 55–72], hier S. 57, 63–67.
    • Gariépy, Robert J.: Lupus of Ferrières’ knowledge of classical latin literature, in: Cambier, Guy (Hg.): Hommages à André Boutemy. Bruxelles 1976, S. 152–158.
    • Gariépy, Robert J.: Lupus of Ferrières. Carolingian scribe and text critic, in: Mediaeval studies 30 (1968), S. 90–105.
    • Hagen, Hermann: Jacobus Bongarsius, in: Hagen, Hermann: Zur Geschichte der Philologie und römischen Litteratur. Berlin 1879, S. 53–216, hier S. 104-105.
    • Landfester, Manfred (Hg.): Geschichte der antiken Texte. Autoren- und Werklexikon. [= Der neue Pauly. Supplemente, Bd. 2.] Stuttgart 2007, hier S. 625–626.
    • Lesne, Emile: Les livres : "Scriptoria" et "Bibliothèques" du commencement du 8e à la fin du 11e siècle. Lille 1938, hier S. 127, 389, 405, 420, 543–544, 551, 556.
    • Lindsay, Wallace Martin: The archetype codex of Valerius Maximus, in: Classical Philology 4 (1909), S. 113–117.
    • Lowe, Elias A.: Nugae palaeographicae, in: Persecution and liberty: essays in honor of George Lincoln Burr. New York 1931, S. 55–69, hier S. 62–64. [Nachdruck in: Lowe, Elias Avery, 1879–1969. Palaeographical papers 1907–1965, edited by Ludwig Bieler... Oxford 1972, S. 315–325, hier S. 320–322.]
    • Manitius, Max: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters. Erster Teil: Von Justinian bis zur Mitte des zehnten Jahrhunderts. [= HdAW 9.2.1]. München 1911, hier S. 489, 501.
    • Müller, Konrad: Jacques Bongars und seine Handschriftensammlung, in: Schätze der Burgerbibliothek Bern. Bern 1953, hier S. 101–102.
    • Munk Olsen, Birger: Le sort des "mutili" des oeuvres classiques latines, in: Bibliologia 20 (2003), S. 21–33, hier S. 32.
    • Munk Olsen, Birger: Les classiques latins et la critique textuelle médiévale (IXe-XIIe siècles), in: Comptes rendus des séances de l'Académie des Inscriptions et Belles-Lettres 139, no. 3 (1995), S. 817-827, hier 823-824.
    • Pellegrin, Elisabeth: Les manuscrits de Loup de Ferrières, in: Bibliothèque de l’Ecole de Chartes 115 (1957), S. 5–31, hier S. 10, 19, 21. [Nachdruck in: Bibliothèques retrouvées. Manuscrits, bibliothèques et bibliophiles du Moyen Age et de la renaissance. Recueil d’études publiées de 1938 à 1985 par Elisabeth Pellegrin. Paris 1988, S. 131–157].
    • Reynolds, Leighton D.: Texts and transmission, a survey of Latin classics. Oxford 1983, hier S. 428–429.
    • Reynolds, Leighton D./ Wilson, Nigel G.: Scribes and scholars. A guide to the transmission of Greek and Latin literature. 4. Aufl. Oxford 2013, hier S. 106, 176.
    • Schanz, Martin: Geschichte der römischen Literatur bis zum Gesetzgebungswerk des Kaisers Justinian. Zweiter Teil: Die römische Literatur in der Zeit der Monarchie bis auf Hadrian [= HdAW 8.2, 4. Aufl.]. München 1935, hier S. 592–594.
    • Schnetz, Joseph: Neue Untersuchungen zu Valerius Maximus, seinen Epitomatoren und zum Fragmentum de praenominibus. Würzburg 1904.
    • Schullian, Dorothy May: Valerius Maximus, in: Catalogus Translationum et Commentariorum: Mediaeval and Renaissance Latin Translations and Commentaries. Bd. 5. Washington D.C. (1984), S. 287–403, hier S. 289, 305.
    • Schullian, Dorothy May: A Neglected Manuscript of Valerius Maximus, in: Classical Philology 32 (1937), S. 349–359.
    • Schullian, Dorothy May: The Excerpts of Heiric "Ex Libris Valerii Maximi Memorabilium Dictorum vel Factorum", in: Memoirs of the American Academy in Rome 12 (1935), S. 155–184.
    • Schullian, Dorothy May: A New Indirect Tradition for the Text of Valerius Maximus, in: Transactions and Proceedings of the American Philological Association 65 (1934), S. 35–46.
    • Severus, Emmanuel von: Lupus von Ferrières. Gestalt und Werk eines Vermittlers antiken Geistesgutes an das Mittelalter im 9. Jh. Münster 1940, hier S. 24, 56, 61, 102.
    • Traube, Ludwig: Vorlesungen und Abhandlungen. Bd. III: Kleine Schriften (Hg. Franz Boll). München 1920, S. 3–17.
    • Traube, Ludwig: Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte römischer Schriftsteller, in: Sitzungsberichte der kaiserlich-bayerischen Akademie der Wissenschaften (1891), S. 387–405.
Provenienz der Handschrift:
  • Verwendet wurde die Handschrift im Jahr 1167 in Provins (Frankreich, Département Seine-et-Marne) als Vorlage für die direkte und ausdrücklich datierte Abschrift, Paris, BnF, lat. 9688; vgl. Stirnemann (1999), S. 64 (Nr. 30).
  • Vorbesitzer: Daniel, Pierre (1530–1603), eigenhändiger Namenszug f. 1r oben Petri Danielis Aurelii sowie eigenhändige Notizen auf den alten Vorsatz- und Nachsatzblättern.
  • Vorbesitzer: Bongars, Jacques (1554–1612), kein Namenszug und ohne eigenhändige Notizen, jedoch im Katalog Hortins verzeichnet; vgl. seinen Brief an Christoph Coler (um 1570–1604) über Cod. 366 (Cod. B 149, f. 308r–v, Brief Nr. 404, sowie Entwurf desselben Briefes f. 309v, Nr. 406), ausserdem den Brief an P. Daniel betreffend Colers Ausgabe des Valerius von 1601, für die Bongars die Daniel gewidmete Vorrede besorgte (f. 309r–v, Nr. 405) – die Briefe sind abgedruckt bei Hagen (1879), S. 104–105.
Erwerb der Handschrift: Durch die Schenkung von Jakob Graviseth 1632 in die Berner Bibliothek gelangt.
Kataloge:
  • Hortin, Samuel: Clavis bibliothecae Bongarsianae MDCXXXIIII. Bern 1634 [= BBB Cod. A 5], S. 57: [Sign.] IX.40 Valerius Maximus [Nr.] 2. Alius in 4°.
  • Wild, Marquard: Catalogus Librorum Bibliothecae Civicae Bernensis MDCIIIC. Bern 1697 [= BBB Cod. A 4], f. 31r: 366. Valerius Maximus, 4°.
  • Engel, Samuel: Manuscripta A[nno] 1740. Bern 1740 [= BBB Mss.h.h. III 110], f. 93r: 366. Valerius Maximus. Denuo. Secul. 12. [!], m[embr.].
  • Sinner, Johann Rudolf: Catalogus codicum mss. bibliothecae Bernensis, Bd. 1. Bern 1760, S. 620.
  • Hagen, Hermann: Catalogus Codicum Bernensium. Bern 1875, S. 350–351.
  • Pellegrin, Élisabeth: Notices de manuscrits (contenant de textes classiques latins de la Bibliothèque de la Bourgeoisie de Berne). Bern, um 1960 [unpubliziertes Typoskript].
Literatur zur Handschrift (Auswahl):
  • Bischoff, Bernhard: Katalog der festländischen Handschriften des neunten Jahrhunderts. Teil I: Aachen – Lambach. Wiesbaden 1998, hier S. 125 (Nr. 586).
  • Briscoe, John: Valeri Maximi facta et dicta memorabilia. 2 Bde. Stuttgart/Leipzig 1998, hier S. XI–XIV.
  • Chatelain, Emile: Paléographie des classiques latins. Bd. 2. Paris 1900, hier S. 24 und Taf. 181.
  • Halm, Karl: Valerii Maximi Factorum et dictorum memorabilium libri novem, Iulii Paridis et Ianuarii Nepotiani epitomis adiectis. Leipzig 1865, hier S. IV–VII.
  • Kempf, Karl: Valerii Maximi Factorum et dictorum memorabilium libri novem, cum incerti auctoris fragmentum de praenominibus. Berlin 1854, hier S. 78–80.
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Externe Ressourcen: