Sarnen, Benediktinerkollegium, Cod. membr. 19

Bretscher-Gisiger Charlotte / Gamper Rudolf, Katalog der mittelalterlichen Handschriften der Klöster Muri und Hermetschwil, Dietikon-Zürich 2005, S. 180-181.

Mit freundlicher Genehmigung des Verlags (Urs Graf Verlag, Dietikon). Das Copyright an der Handschriftenbeschreibung liegt beim Verlag.
Handschriftentitel: Psalterium
Entstehungsort: Südwestdeutsch
Entstehungszeit: 12. Jahrhundert
Frühere Signatur: Cod. 6.67.
Beschreibstoff: Pergament
Umfang: 161 Blätter
Format: 21,5 x 15 cm
Seitennummerierung: Neuere Foliierung: I. 1-160.
Lagenstruktur: III6 + 18 + 19 IV160. In der zweiten Lage fehlen möglicherweise mehrere Doppelblätter und am Ende mindestens eine Lage. Textverlust.
Seiteneinrichtung: Blindliniierung. Schriftraum 16,5-17 x 9-10, 19 Zeilen.
Schrift und Hände: Späte karolingische Minuskel von einer Hand; Kalendar von anderer Hand.
Buchschmuck:
  • Bei den Versen einzeilige, bei den Psalminitien 2zeilige rote Lombarden.
  • Psalminitien in schwarzer, psalmus David in roter Kapitalis, bei Ps 1, 51 und 101 Initien in breiter Kapitalis.
  • 9r, 28v, 41v, 53r, 67r, 84r, 100v bei Ps 1, 26, 38, 51, 68, 81 und 101 Rankeninitialen in roter Federzeichnung, z. T. mit Drachenköpfchen und Zierklammern, auf blauen und gelben, z. T. auch grünen und braunen Gründen; bei Ps 26, 38, 68 und 81 5-6zeilig, 9-10zeilig bei Ps 1 mit Fratzen, bei Ps 51 mit angreifendem Drachen, bei Ps 101 mit paarigen Drachenköpfchen.
  • 7r-8v Miniaturen, ganzseitige kolorierte Federzeichnungen in Rahmen mit Blüten, Blättern und Zickzackbändern, Zyklus unvollständig.

    7r Verkündigung an Maria mit Stadtdarstellung,

    7v Heimsuchung: Maria und Elisabeth umarmen sich unter einem von Säulen getragenen Bogen,

    8r Kreuzigung mit Maria und Johannes, Sol und Luna in zwei Medaillons,

    8v die drei Marien treten zum offenen Grab, an dem ein Engel sitzt, drei schlafende, ein wachender Soldat.

Spätere Ergänzungen: Im Kalendar zahlreiche nekrologische Einträge, im Psalter marginale und interlineare Korrekturen von mehreren Händen; Antiphonen, Versikel und Invitatorien am Rand, vereinzelt mit Neumen, z. B. 98v.
Einband: Heller Lederüberzug, Einband des 15. Jhs. unter Verwendung der Holzdeckel des 12. Jhs.; restauriert 1967. Streicheisenlinien und Einzelstempel wie Cod. membr. 6. Die Deckel des ersten Einbandes wurden auf den drei Aussenseiten abgeschrägt und auf der vierten Seite verkleinert und gewendet. Die ursprünglichen Kanäle zur Befestigung der Bünde liegen sichtbar nach aussen. Für den zweiten Einband mit gotischer Deckelverbindung wurde der Buchblock beschnitten. Bei der Restaurierung 1967 wurden die Bünde in die neuen Kanäle eingezogen und auf die Innendeckel geklebt. Eine nach vom greifende Kantenschliesse mit Lederband und Messingteilen. Abgelöstes Spiegelblatt vorn (I), Pergament, mit liturgischem Fragment, s. Inhalt, 12. Jh., Grünspanflecken, zusätzlich aus der gleichen Hs. 2 cm breiter Streifen. Auf dem Rücken Psalterium s. XII […]
Inhaltsangabe:
  • Ir-v (abgelöstes Spiegelblatt vorn) Officium BMV, Matutin (Fragment): // lecta odorem dedisti suavitas …–… Tu illi mater //Für einen Nonnenkonvent: Ir Iube domna benedicere. Virginis filius sit nobis […]
  • 1r-6v Kalendar für das Kloster Muri. Siehe Anhang. Goldene Zahl, Sonntagsbuchstaben, Kalenden, Nonen, Iden. Hervorgehoben: Marienfeste (Purificatio 2. 2., Annuntiatio 25. 3., Assumptio 15. 8. mit Oktav 22. 8., Nativitas 8. 9.) Mariae in Majuskel und teilweise rot gestrichelt, Martini ep. 11. 11. Name in Majuskel rot gestrichelt; Lokalheilige: Goaris conf. 6. 7., Dedicatio Murensis monasterii 11. 10. Nekrologische Einträge siehe Anhang.
  • 7r-8v Miniaturen. Zyklus unvollständig.
  • 9r-147v Psalterium non feriatum. Beatus vir …–… laudet dominum. Ps 1-150, Initialen bezeichnen die liturgische Teilung nach Cursus Romanus (mit Abweichungen, siehe unter Einrichtung und Ausstattung). Am Rand Antiphonen, Versikel und Invitatorien von wenig späterer Hand, vereinzelt mit Neumen.
  • 147v -160v Cantica, Te deum, Pater noster, Symbolum apostolorum, Symbolum Athanasii. >Canticum Esaię prophetae< Confitebor tibi …–… fideliter credat. Est ergo //. 157v Te deum. 159r Pater noster, Symbolum apostolorum. 159v Symbolum Athanasii, Schluss fehlt.
Entstehung der Handschrift: Nach dem Kalendar für das Kloster Muri bestimmt, 5v Dedicatio Murensis monasterii.
Erwerb der Handschrift: Hermetschwil, im Bücherverzeichnis von Hermetschwil 1697 aufgeführt: 49v Psalter Davids N° II, vgl. Einleitung S. 73, Anm. 303. Stempel 1r Convent M. G ., 19. Jh., 6v Stempel Bibliothek Benediktinerstift Muri-Gries , 20. Jh. Auf dem Spiegelblatt Iv alte Signatur Cod. 6.67., darunter rot n° 19.
Bibliographie:
  • Hermann Julius Hermann, Die illuminierten Handschriften in Tirol, Leipzig 1905 (Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Österreich, hrsg. v. Franz Wickoff, 1), S. 56-58, Nr. 56 mit Fig. 18-20;
  • Albert Bruckner, Scriptoria medii aevi Helvetica, Bd. 7: Schreibschulen der Diözese Konstanz. Aargauische Gotteshäuser, Genf 1955, S. 67f., Taf.1-4;
  • Rupert Amschwand, Zur Bibliotheksgeschichte von Muri, in: Librarium 9 (1966), S. 158-184; auch in: Sarner Kollegi-Chronik 29 (1967), S. 33-70. S. 159, Abb. 167;
  • Georg Germann, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. 5: Der Bezirk Muri, Basel 1967, S. 429, Abb. 322,323;
  • Christoph und Dorothee Eggenberger, Malerei des Mittelalters (Ars Helvetica V. Die visuelle Kultur der Schweiz, hrsg. v. Florens Deuchler), Disentis 1989, S. 177f., Abb. 156;
  • Judith Raeber, Die Codices Sarnen 19 und Sarnen 83 aus dem Kloster Muri (Liz. masch.), Lausanne 1993, passim;
  • Judith Raeber, Zur Ikonographie der Marienverehrung im 12. Jahrhundert, in: Florilegium. Scritti di storia d'arte in onore di Carlo Bertelli, Milano 1995, S. 46.