Basel, Universitätsbibliothek, B XI 8
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Aus: HAN. Verbundkatalog Handschriften - Archive - Nachlässe, 2017.

Manuscript title: Basler Liederhandschrift
Date of origin: um 1300
Zur Korrektur der bei Meyer/Burckhard (1969) fehlerhaften Datierung "um 1400" vgl. zuerst Bertelsmeier-Kierst (2000), S. 92, Anm. 16.
Former shelfmark: Kartause Basel, Bibliotheca antiqua, E lxxxiiii (alt)
Support: Pergament von wechselnder Dicke, meist mittelstark, in Lage XI und XVI dicker, in Lage VIII, IX, XIX dünner, mit zahlreichen Unregelmässigkeiten (Löchern, defekten Rändern); Bl. 146 am oberen Rand beschnitten, einzelne Seiten stark abgegriffen (Lage XVIII).
Extent: 1 Band (163 Blätter)
Format: 11,5 x 8/8,5 cm
Foliation: Moderne Bleistiftfoliierung: 1-163; je ein modernes Vorsatzblatt vorne und hinten nicht gezählt.
Collation: 20 Lagen, z.T. vertauscht (siehe Kesting [1989], S. 40). Lagenformel: 6 IV48 + V58 + VI70 + II74 + IV82 + V92 + 6 IV140 + V150 + IV158 + (III-1)163. Zw. Bl. 158 und 159 ein Bl. herausgeschnitten. Häufig alte Lagenbezeichnungen: teils mit römischen und teils mit arabischen Zahlen, teils auf der letzten Verso- und teils auf der ersten Recto-Seite am unteren Rand, teilweise fehlend oder fehlerhaft. Siehe Meyer/Burckhardt (1966), S. 914.
Page layout: Schriftspiegel 8/8,5 x 5/5,5 cm; ungespalten. Quadrierung fein mit Tinte, Liniierung ebenso und mit Punctorium-Spuren, 18 Zeilen, Bl. 71r-74v 21/22 Zeilen, Bl. 43v /44r und 154r-158v mit sporadischer Notation.
Writing and hands: Textualis aus der Zeit um 1300. Gemäss Meyer/Burckhardt (1966) eine Hand, die aber teilweise variiert; gemäss Kesting (1989, S. 40) zwei Hände. Radierte Partien auf Bl. 141v /142r. Marginalnotizen (Autoren, Zählungen, Nachträge) vom Textschreiber; einzelne Einträge auf Rasur Bl. 1r und 162v von einer groben Hand vom Ende des 15. Jahrhunderts.
Decoration:
  • Teilweise Strichelung, Hervorhebung von Versanfängen, Zeilenfüller, einzelne Titel in Rot.
  • Initialen: Lombarden, einzelne mit bescheidenem Rankenwerk, in der Regel rot mit Ausnahme des blauen U auf Bl. 42v und des blauen P auf Bl. 75r. Einzeilige rote Lombarden im Text.
Binding: In dunkelbraunes, gestempeltes und beschlagenes Leder eingebundene, etwas über den Buchblock hinausragende Holzdeckel, Rücken und Kapitalband modern, je vier runde Beschlagnägel in den Ecken beider Deckel (einzelne davon moderner Ersatz?). Identisches Muster vorne und hinten: in fünffach gezogener Liniierung mittleres, auf der Schmalseite stehendes Rechteck, ausgefüllt mit drei übereinanderstehenden quadratischen Bandmusterstempeln. In den vier durch Verbindungslinien mit den Buchecken entstandenen, auch aussen eingefassten Aussenfeldern je ein übereck stehender quadratischer Blumenstempel. Diese sind auf dem vorderen Deckel teilweise mit Gold getönt. Zwei nach vorn greifende Schliessen abgerissen; auf dem hinteren Deckel zwei gekerbte Nägelpaare, am vorderen Metallbeschläge mit Haftbügel. Rote und gelbe Ledersignakeln am gelblich getönten, vorderen Buchschnitt. Spiegel vorne und hinten mit modernem Blatt überklebt; moderne Vorsatzblätter vorne und hinten.
Main language: Lateinisch, Deutsch (Alemannisch)
Contents:
Die Sammelhandschrift enthält verschiedene lateinische und deutsche Texte vorwiegend liturgischen Inhalts; einige Lieder sind mit Notation versehen.
  • 1r-v Jubilus, lateinisch-deutsch Ihesu dulcis memoria / dans vera cordis gaudia
    Eingangsstrophe lateinisch, anschliessend fünf deutsche Strophen.
    • Vgl. Kesting (1989), S. 34f.
    • Edition: Kesting (1989), S. 48f. Nr. I.
  • 1v Deutsches Lied An gesum gedenken ist süsekeit / die sele davon wird gemeit
    Übersetzung eines lateinischen Liedes
    • Vgl. Kesting (1989), S. 35.
    • Edition: Kesting (1989), S. 49 Nr. II.
  • 1v-2r Deutsches Lied Himelriche ich frowe mich din / Daz ich do mac schowen / got und die liebe muͦter sin
    Das Lied ist eine Kontrafaktur zu Steinmars Lied "Sumerzît, ich fröwe mich din"
    • Vgl. Kesting (1989), S. 35-37.
    • Edition: Kesting (1989), S. 49f. Nr. III.
  • 2r-v Deutsches Lied in Kanzonenform Ich wil iorlanc nume sünden / sprach ein frowelin gemeit. / Ich habe einen herren funden
    • Vgl. Kesting (1989), S. 37-39.
    • Edition: Kesting (1989), S. 51f. Nr. IV.
  • 2v-4r Winsbecke Sun, minne reineclihe got / manic tugent ir flús nimet usden drin
    • Vgl. Kesting (1989), S. 39.
    • Edition: Reifenstein (1962), Strophen 2-5, 28, 56.
  • 4v-41r Verschiedene lateinische Texte >Hee sunt auctoritates sanctorum<. Beda: Universa nostra municio est
    • Für Detailinformationen vgl. Meyer/Burckhardt (1966), S. 884-888.
    • Vgl. Kesting (1989), S. 40f.
  • 41r Marienklage, deutsch O we des smerzen / den ich trage an mime herzen …–… mines herzen trost der sich lie binden daz wir werdent erlost. >Versus<.
    Lied bricht am Ende der Seite ab; ist wahrscheinlich unvollständig.
    • Vgl. Bergmann (1986), S. 400 Nr. M 5.
    • Vgl. Kesting (1989), S. 41.
    • Edition: Kesting (1989), S. 52 Nr. V.
  • 41v-43v Zwei lateinische Texte, möglicherweise Merkverse Bos mugit. porcus grunnit. Sed rudit asellus Ignis destruit. emollit. restringit. consolidatque
    Vgl. Kesting (1989), S. 41.
  • 43v-44v Deutsches Lied in Kanzonenform Wene herze, wenent ougen / wenent bluͦtes trehen rot
    Teilweise mit musikalischen Noten versehen
    • Vgl. Kesting (1989), S. 41f.
    • Edition: Kesting (1989), S. 53f. Nr. VI.
  • 44v-51v Lateinische Texte Beatius est liberum [45r ] exire de carcere quam post vincula libertatem querere unde quidam ait
  • 52r-55r Tractatus metricus de paenitentia Penitas cito peccator cum sit miserator
    Für Detailinformationen vgl. Meyer/Burckhardt (1966), S. 889f. Edition: PL 207, 1153C-1156B.
  • 55r-56r Versus 30 de eucharistia Versus de corpore Ihesu Christi domini nostri. Viscera munda para qui pasci queris in ara Tempore nunc Christus genitori victima cara [55v ] Basilius merens et Christo mente coerens
    Für Detailinformationen vgl. Meyer/Burckhardt (1966), S. 890f.
  • 56r-57r Proverbia Wiponis selecta Audiat rex que precipit lex
    Edition: Wackernagel (1840), S. 136f.
  • 57r-132v; 138v-141r Varia et excerpta
    Diverse Kurztexte und Exzerpte, z.B. von Augustinus, Bernhard von Clairvaux, Gregor dem Grossen, Beda Venerabilis, weiteren Kirchenvätern oder aus der Bibel. Die Blätter 138v-141v müssten, gemäss Kesting (1989), S. 40, vor Bl. 96r stehen.
    Vgl. Meyer/Burckhardt (1966), S. 892-899.
  • 133r Die sechs für einen jährlichen Abendmahlsempfang nötigen Tugenden Sehs tugende sint die der mensche sol han der einest imme iare unsern herren wil enphahen. Die erste ist dac der mensche erkenne sine sunde …–… Die sehst ist man sol gelten swem man gelten sol.
  • 133r-v Die sieben für den allmonatlichen Abendmahlsempfang nötigen Tugenden Die sint siben tugende, swer die hat der mac mit guͦter zuͦfersiht in deme iare zwelfstunt unsern herren enphahen
  • 133v-134r Acht Dinge, die der Mensch tut, der einen anderen lieb hat Der mensche der den anderen rehte liep hat, der tuͦt disú ahte dinc durch in
    Tugenden für den wöchentlichen Abendmahlsempfang.
  • 134r-135r Fünf Schmerzen Mariae nach der Vision des Evangelisten Da unser vrowe ze himel was gevarn da hette sante Iohannes ewangelista grose begirde dac er gerne unser vro | [134v ] we hette gesehen
    Unvollständig: Bloss der erste Schmerz ist genannt.
  • 135r-136r Von 15 Gnaden des Ave Maria Swer alle vritage sprichet unserre vrowen ein tusent Ave Maria ze lobe der bezwerden die su do hette, demme geschehent fúnfcehen gnaden vor sime tode
  • 136r-138r; 141v-147r Particula medicae latino-germanica Do Ypocras der arzot sterben solte do hies er
    Vgl. Meyer/Burckhardt (1966), S. 900f.
  • 147r-160r Hymni et cantica >Conductus cancellarii Parisiensis<. O amor deus deitas
    Teilweise mit musikalischen Noten versehen. Vereinzelt auch deutsche Strophen: für Bl. 155r-v vgl. Kesting (1989), S. 42f., mit Edition S. 55 (Nr. VII.c); für Bl. 156v vgl. ebd., S. 43f., Edition S. 55f. (Nr. VIII).
    Vgl. Meyer/Burckhardt (1966), S. 901-911
  • 160r-v Boppe: Ob al der welte gar gewaltic wer ein man >Bobbe<. Ob al der welte gar gewaltic wer ein man
    • Vgl. Kesting (1989), S. 45.
    • Edition: Kesting (1989), S. 56 Nr. IX.
  • 160v-161r Walter von der Vogelweide: Schlimme Zeiten Er ist ein wol gefrúndeter man, als die welt nu stat
    Die Zuschreibung an Walter ist nicht unumstritten: vgl. Maurer, Friedrich. - Die Lieder Walthers von der Vogelweide. Bd. 1: Die religiösen und die politischen Lieder. - Tübingen: Niemeyer, 41974 (Altdeutsche Textbibliothek ; Nr. 43, Ed. 4), S. 84.
    • Vgl. Kesting (1989), S. 45f.
    • Edition: Kesting (1989), S. 57 Nr. X.
  • 161r-v Umdichtung der Wisbecke-Strophe 22 Wip, wiltu cleiden dine iugent
    • Vgl. Kesting (1989), S. 46.
    • Edition: Kesting (1989), S. 57 Nr. XI.
  • 161r-162v Konrad von Würzburg: Geistliche Lieder und Sprüche Strophen in Ton 32: Lob der Trinität (32,1) und Marienlob (32,2)
    • Vgl. Kesting (1989), S. 47.
    • Vgl. Miedema (2015), S. 148f. (Sigle q).
    • Edition: Kesting (1989), S. 58 Nr. XI.
  • 163r Besitzeintrag der Kartause Basel
  • 163v leer
Origin of the manuscript: Aus der Basler Kartause. Bl. 1r, unterer Rand, Besitzeintrag von Hand Heinrich Arnoldis „Cartuß[iensium] Baß[ilee]“; Bl. 163r, oben, Hand Jacob Laubers „Cartusien[sium] in Basilea“. Eine alte Signatur ist nicht erkenntlich, kann aus dem Katalog von Urban Moser (AR I 4a, fol. 43r und 55r) aber erschlossen werden als „E lxxxiiii“. Der Codex kam nicht auf direktem Weg aus der Kartause in die Universitätsbibliothek Basel, sondern war im 17. Jahrhundert im Besitz des Remigius Faesch und kam wohl erst 1823, gemeinsam mit den übrigen Objekten aus dem Museum Faesch, in Universitätsbesitz. Faeschs eigenhändiger Katalog seiner Büchers (AR I 11), der auf Bl. 168r-v die Libri manuscripti antiqui in 8o etc. aufführt und damit die Vorlage für Gustav Haenels Liste in den Catalogi manuscriptorum, Leipzig 1830, Sp. 659-660 geliefert hat, nennt den Band nicht.
Bibliograph. Nachweise
  • Die mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek Basel: beschreibendes Verzeichnis. Abt. B, Theologische Pergamenthandschriften / bearb. von Gustav Meyer und Max Burckhardt. - Basel: Universitätsbibliothek, 1960-1975. - Bd. 2, S. 882-914.
  • Arlt, Wulf. - Ein Festoffizium des Mittelalters aus Beauvais in seiner liturgischen und musikalischen Bedeutung, Editionsband. - Köln, 1970, S. 260 zu Nr. 22(betr. 156r-v).
  • Bergmann, Rolf. - Katalog der deutschsprachigen geistlichen Spiele und Marienklagen des Mittelalters (Veröffentlichungen der Kommission für Deutsche Literatur des Mittelalters der Bayerischen Akademie der Wissenschaften), München, 1986, S. 400 (M 5).
  • Schmid-Cadalbert, Christian (Hrsg.). - Das ritterliche Basel. Zum 700. Todestag Konrads von Würzburg (Ausstellung). - Basel, 1987, S. 115 Nr. 14 (betr. 161v-162r).
Literatur
  • Edition der deutschen Texte: Wackernagel, Wilhelm. - Handschrift der basler Universitätsbibliothek B. XI. 8. In: Altdeutsche Blätter; 2 (1840), S. 124-133.
  • Zum Musikalischen: Handschin, Jacques. - Die Schweiz, welche sang: (über mittelalterliche Cantionen aus schweizerischen Handschriften). - In: Festschrift Karl Nef. - Zürich, 1933. - S. 102-133.
  • Reiffenstein, Ingo. - Winsbeckische Gedichte: [Winsbecke, Winsbeckin, Winsbecken-Parodie] nebst Tirol und Fridebrant / hrsg. v. Albert Leitzmann. - Tübingen: Niemeyer, 1962, S. VIII.
  • Objartel, Georg. - Zwei wenig beachtete Fragmente Reinmars von Zweter und ein lateinisches Gegenstück seines Leichs. In: Zeitschrift für deutsche Philologie; 90 (1971), Sonderheft S. 217-231, hier S. 222-231 (betr. 147r-151r).
  • Brunner, Horst et al. - Walther von der Vogelweide. Die gesamte Überlieferung der Texte und Melodien (Litterae, 7). - Göppingen, 1977, S. 40*, S. 274 Abb. 170 (betr. 160r-162v).
  • Ruh, Kurt (Hrsg.). - Studienfahrt in schweizerische Bibliotheken. - Würzburg, 1980, S. 11.
  • Schanze, Frieder. - Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mügeln und Hans Sachs (Münchener Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters, 83), Bd. 2: Verzeichnisse. - München; Zürich, 1984, S. 143f.
  • Steinmann, Martin. - Die handschriftliche Überlieferung von Konrads Werken. In: Das ritterliche Basel. Zum 700. Todestag Konrads von Würzburg (Ausstellung). - Basel, 1987, S. 40-44, hier S. 42, 44 (betr. 161v-162r).
  • Kesting, Peter. - Die deutschen lyrischen Texte in der Basler Handschrift B XI 8. In: Überlieferungsgeschichtliche Editionen und Studien zur deutschen Literatur des Mittelalters. Kurt Ruh zum 75. Geburtstag. - Tübingen, 1989, S. 32-58 [S. 48-58 Edition der deutschen Texte].
  • Brunner, Horst u.a. - Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder des 12. bis 18. Jahrhunderts (RSM). Bd. 1. - Tübingen, 1994, S. 75.
  • Holznagel, Franz-Josef. - Wege in die Schriftlichkeit (Bibliotheca Germanica, 32). - Tübingen-Basel, 1995.
  • Schubert, Martin J. - Die Form von Reinmars Leich. In: Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik; 41 (1995), S.85-141 (betr. 147r-151r).
  • Alex, Heidrun. - Der Spruchdichter Boppe. Edition, Übersetzung, Kommentar (Hermaea, NF 82). - Tübingen, 1998, S. 10f., 188f. (betr. 160r-v).
  • Benediktson, Thomas. - Polemius Silvius' "Voces variae animancium" and related catalogues of animal sounds. In: Mnemosyne ; 53 (2000), S. 71-79 (betr. 41v).
  • Bertelsmeier-Kierst, Christa. - Muget ir schouwen, waz dem meien... Zur frühen Rezeption von Walthers Liedern. - In: Blütezeit: Festschrift für L. Peter Johnson zum 70. Geburtstag / hrsg. von Mark Chinca ... [et al.]. - Tübingen: Niemeyer, 2000 , S. 87-99.
  • Baldzuhn, Michael. - Vom Sangspruch zum Meisterlied. - Tübingen, 2002, S. 97.
  • Lauer, Claudia. - Der 'starke' Boppe. Meisterschaft des Armes und des Wortes. - In: Sangspruchdichtung um 1300: Akten der Tagung in Basel vom 7. bis 9. November 2013 / hrsg. von Gert Hübner ... [et al.]. - Hildesheim: Weidmann, 2015, S. 109-125, hier S. 122 Anm. 71.
  • Miedema, Nine. - "in Theothonico multorum bonorum dictaminum compilator": Konrad von Würzburg als Verfasser geistlicher Sangspruchdichtung. - In: Sangspruchdichtung um 1300: Akten der Tagung in Basel vom 7. bis 9. November 2013 / hrsg. von Gert Hübner ... [et al.]. - Hildesheim: Weidmann, 2015, S. 147-165, hier S. 148f.
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