St. Gallen, Kantonsbibliothek, Vadianische Sammlung, VadSlg Ms. 342
Handschriftentitel: Vaticinia de pontificibus (Papstvatizinien)
Entstehungszeit: Um 1360/1370
Beschreibstoff: Pergament
Umfang:
9 Blätter
Format: 30 x 21 cm
Seitennummerierung: Am unteren Rand alte Foliierung 1–9, auf den ersten vier Blättern am linken Rand i–iiii, neuere Paginierung 1–18.
Lagenstruktur: (IV+1)18
Seiteneinrichtung:
Stiftliniierung. Schrift- und Bildraum 21,5–24,5 x 14,5–15,5, Zeilenzahl unterschiedlich.
Schrift und Hände: Textualis von einer Hand.
Buchschmuck:
- 1–2zeilige rote und blaue Lombarden mit rotem und violettem Fleuronné.
- 15 grau schattierte Federzeichnungen, die je zwei Drittel der Seite einnehmen; Bilderverzeichnis unten.
Spätere Ergänzungen: Korrekturen und Nachträge: S. 3
Honorius quartus, 16. Jh.
S. 17f. 2spaltige Einrichtung: Stiftliniierung, Schriftraum 22 x 15 (7), 29 Zeilen, gotische Buchkursive, 2. Hälfte 14. Jh., rubriziert; teilweise ausradiert, schwer lesbar.
Einband:
Kartonumschlag 19. Jh.
Inhaltsangabe:
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S. 1–15
Vaticinia de pontificibus 'Ascende calve'.
Ascende calve ne amplius decalvatus …–…
Terribilis es qui resistet tibi.
- Schwartz/Lerner, Illuminated Propaganda, S. 187–191.
- S. 16 leer.
- S. 17–18 Medizinische Rezepte (franz.) Item il somble erest avis
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Bilderverzeichnis
- S. 1 Niklaus III. (1277–1280). Der Papst thront zwischen zwei Bären. Am rechten Arm hängt eine Glocke, der Bär beisst auf den Stab in der rechten Hand des Papstes, in der linken Hand hält er Ährenzwiege, an denen eine Taube pickt.
- S. 2 Martin IV. (1281–1285). Der Papst steht vor einem Adler, in der linken Hand den Schlüssel, in der rechten einen Kreuzstab, mit dem er den Adler niederstösst.
- S. 3 Honorius IV. (1285–1287). Der Papst steht mit geneigtem Haupt, den Schlüssel in der rechten Hand. Ein bärtiger Mann mit gegürtetem Schwert bedroht ihn mit einer erhobenen Keule.
- S. 4 Niklaus IV. (1288–1292). Der Papst steht zwischen zwei Frauen. Die eine kniet und reicht dem Papst einen Kelch, die andere trägt ein Buch in der Hand, der Papst segnet sie.
- S. 5 Coelestin V. (1294, † 1297). Der Papst betet kniend vor einem Baum, über dem sich die Hand Gottes zeigt. Hinter ihm steckt eine Lanze mit Fahne im Boden, ein Wolf reisst dem Papst die Tiara vom Kopf.
- S. 6 Bonifatius VIII. (1294–1303). Der Papst steht aufrecht, er trägt in der linken Hand den Schlüssel, an dem der Reichsadler hängt, mit dem Dreizack in der linken Hand, auf dem ein Hahn steht, bedroht er eine Taube. Hinter ihm steckt ein betender Mann (der abgesetzte Papst Coelestin) im Fussblock, über ihm zeigt sich die Hand Gottes.
- S. 7 Benedikt XI. (1303–1304). Der Papst füttert eine zweiköpfige Schlage, die sich um einen Baum windet und ihn beisst. Von hinten nähert sich ein schwarzer Rabe.
- S. 8 Clemens V. (1305–1314). Der Papst reitet auf einem Pferd weg. In der Hand hält er einen Falken, hinter ihm steht eine gekrönte Frau im Torbogen einer Kirche.
- S. 9 Johannes XXII. (1316–1334). Der Papst steht auf einem Tier (Hund?). In der linken Hand trägt er den Schlüssel, in der rechten eine Geissel, mit der er eine Taube bedroht. Der Drache zu seiner Linken hat einen menschlichen Kopf, der eine Tiara trägt. Von dieser Seite nähert sich eine zweite Taube.
- S. 10 Benedikt XII. (1334–1342). Der stehende Papst hält in der linken Hand ein Buch. Zu seiner linken Seite steht eine grosse Tiara (?), zu seiner rechten Seite ein Rabe, über dem eine Taube fliegt.
- S. 11 Clemens VI. (1342–1352). Der Papst steht in einem Kessel, in der linken Hand trägt er den Schlüssel, in der rechten einen Kreuzstab, mit dem er den Lammkopf (?) in einen Kessel niederstösst. Ein Hahn steht vor dem Lamm (?), ein Drache erhebt sich zum Schlüssel in der Hand des Papstes.
- S. 12 Innozenz V[I]. (1352–62). Der Papst steht auf einer Krone, in der linken Hand hält er den Schlüssel, in der rechten ein Messer. Neben ihm kauert ein Wolf, der einen Stab hält.
- S. 13 Urban V. (1362–1370). Der Papst sitzt auf dem Thron. Den Schlüssel in der linken Hand übergibt ihm ein Engel, über dem sich die Hand Gottes zeigt, in der rechten Hand hält der Papst eine Fahne, neben der drei Bienen (?) fliegen. Eine Taube steht neben dem Thron.
- S. 14 [ohne Namen]. Der Papst schreitet mit dem Pilgerstab in der rechten Hand, in der linken trägt er den Schlüssel. Hinter ihm steht ein Krieger zwischen zwei Schwertern und vier Lanzen, die aufrecht stehen; sein Schwert, das den Papst bedroht, wird von der Hand Gottes zurückgehalten.
- S. 15 [ohne Namen]. Der zweiköpfige Drache steht auf einem Sockel und trägt einen menschlichen Kopf. Sein Schwanz umschlingt Sterne und endet in einem Drachenkopf. Dieser hält den Griff eines Schwertes, dessen Klinge eine Schlange durchsticht. Neben den Krallen des Drachen liegt ein schwarzer Skorpion.
Entstehung der Handschrift: Nach
Schwartz/Lerner, Illuminated Propaganda, S. 160, Anm. 9 im deutschen Sprachraum entstanden (oder von einem deutschen Schreiber kopiert), wahrscheinlich in Böhmen.
Erwerb der Handschrift:
1615 als Geschenk von Jakob Studer an die städtische Bibliothek, im Donatorenbuch VadSlg Ms. 10, 22r unter Büecher in allerley sprachen aufgeführt: N° 81. Ein gar alt wunderbarlich buch darinnen etliche propheceyungen, und etlich päbst darinn gemahlet, ob welchen lateinische vaticinia geschriben, in. fol. Im Katalog der Handschriften von 1649 (VadSlg Ms. 8a), 3v libri manuscripti in folio A 47 Scommata in aliquod papas cum iconibus egregiis, in pergameno. S. 1 und S. 16
Stempelder Vadian. Biblioth., 19.–20. Jh.
Bibliographie:
- Gustav Scherer, Verzeichniss der Manuscripte und Incunabeln der Vadianischen Bibliothek in St. Gallen, St. Gallen 1864, S. 98;
- Hermann Grundmann, Die Papstprophetien des Mittelalters, in: Archiv für Kulturgeschichte 19 (1929), S. 124f.;
- Leonie Von Wilckens, Die Prophetien über die Päpste in deutschen Handschriften, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 28 (1975), S. 171–180;
- Orit Schwartz, Robert E. Lerner, Illuminated Propaganda: the Origins of the ‚Ascende calve‘ Pope Prophecies, in: Journal of Medieval History 20 (1994), S. 157–191;
- Hélène Millet, Le grand Schisme d'Orient selon Eustache Deschamps: un monstre prodigieux, in: Miracles, prodiges et merveilles au moyen âge. Xxve Congrès de la S.h.M.e.S., (Orléans, juin 1994), Paris 1995, S. 226;
- Hélène Millet, Dominique Rigaux, Un double mal. Images des schimes dans les propheties sur les papes, in: Le mal et le diable. Leur figures à la fin du Moyen Age. Paris 1996 (Cultures et christianisme 4), S. 150;
- Rudolf Gamper, Gertraud Gamper, Fredi Hächler, Sum Jacobi Studeri Sangallensis. Die Sammlung des bibliophilen Kaufmanns Jakob Studer (1574–1622) in der Vadiana, St. Gallen 2001, S. 16–18, 62.